Wenn die Welt sich verändert - und (Dir) die Worte dafür fehlen
Es beginnt oft ganz leise.
Ein stilles Unbehagen, das sich in den Praxisalltag schleicht. Eine Müdigkeit, die nicht nur körperlich ist. Und der Gedanke:
„Meinen Beruf hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.“
Vielleicht kennst du solche Momente.
Wenn Abläufe, die früher Halt gaben, heute nicht mehr helfen oder einengen. Wenn Entscheidungen schwerer fallen, weil die Welt unberechenbarer geworden ist. Und wenn du dich fragst, ob es wirklich an dir liegt.
Spoiler: Nein.
Viele Praxisinhaber:innen im ambulanten Gesundheitswesen spüren diesen Wandel. Und sie erleben:
Was früher funktionierte, greift nicht mehr - obwohl sie selbst nicht weniger engagiert oder kompetent geworden sind.
VUCA & BANI - Worte für das Unfassbare
In genau solchen Situationen brauchen wir neue Begriffe. Nicht als Theorie - sondern als sprachliche Landkarte.
Etwas, das Orientierung gibt, wenn die gewohnten Koordinaten nicht mehr stimmen.
Vielleicht hast du schon von VUCA gehört:
Ein Modell aus dem Militär, später von Wirtschaft und Organisationsentwicklung übernommen. VUCA beschreibt die äußeren Rahmenbedingungen unserer Zeit - und steht für vier Merkmale einer Welt, die uns immer häufiger begegnet:
- Volatility (Volatilität) - ständige Veränderungen, die kaum planbar sind
- Uncertainty (Unsicherheit) - fehlende Klarheit über Ursachen, Zusammenhänge oder Auswirkungen
- Complexity (Komplexität) - eine Vielzahl an Einflussfaktoren, die sich wechselseitig bedingen
- Ambiguity (Mehrdeutigkeit) - Situationen, die sich unterschiedlich deuten lassen - ohne eindeutige „richtige“ Antwort
Im Praxisalltag zeigt sich das zum Beispiel so:
Neue Vorgaben, manchmal über Nacht. Widersprüchliche Anweisungen. Fachkräftemangel. Patient:innen mit höheren Erwartungen. Entscheidungen, die man heute trifft, sind morgen schon überholt.
Doch VUCA erklärt vor allem, was draußen passiert.
Für das, was das drinnen mit uns macht, gibt es ein weiteres Modell: BANI.
Es benennt die innere Erfahrung in unsicheren Zeiten:
- Brittle (Brüchigkeit) - Systeme wirken stabil, brechen aber bei kleinster Überlastung
- Anxious (Ängstlichkeit) - ständige Anspannung, die handlungsunfähig machen kann
- Non-linear (Nicht-Linearität) - kleine Ursachen mit unverhältnismäßig großer Wirkung
- Incomprehensible (Unbegreiflichkeit) - das Gefühl: „Ich verstehe die Logik dahinter nicht mehr.“
Kommt dir etwas davon bekannt vor?
Warum das kein persönliches Versagen ist
Viele denken in solchen Momenten:
„Ich müsste das doch besser hinbekommen.“
Aber was, wenn genau dieses Gefühl der Überforderung gar kein individuelles Defizit ist -
sondern eine gesunde Reaktion auf eine Welt, die sich grundlegend verändert hat?
Dann wird Überforderung nicht zum Makel, sondern zum Hinweis:
Ein Signal dafür, dass dein System wach ist - dass du spürst, dass etwas nicht mehr stimmig ist.
Und vielleicht ist das der erste Schritt, um neu zu sortieren - mit mehr Mitgefühl für dich selbst.
Worte geben Halt - bald mehr im Blog
In wenigen Tagen erscheint auf unserer Website ein neuer Blogpost:
„Wenn die Welt sich ändert - aber keiner mehr richtig mitkommt“
Darin erzählen wir ausführlicher:
- Warum sich der Praxisalltag heute so anders anfühlt
- Warum Klarheit heute nicht heißt: alles im Griff haben
- Sondern: sich selbst wieder spüren - auch im Sturm
Denn eines zeigt sich immer mehr:
Veränderung beginnt nicht mit Lösungen.
Sondern mit Sprache für das, was wir erleben.
Mehr dann beim nächsten Mal.
Bis dahin: Manches wird klarer beim Schreiben. Anderes beim Lesen.
Danke fürs Dabeisein.
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